The Faint, 2004

Was soll man von einer amerikanischen Band halten, die so europäisch klingt, als hätte es die Erfindung von Rock nie gegeben, die Videoprojektion und Kunst auf der Bühne mit einer eklektischen Mischung aus Wave, Punk und elektronischer Musik vereinen und dies live sehr überzeugend präsentieren. Ich finde mich in den Räumlichkeiten der Hamburger Tanzhalle St. Pauli wieder und stelle mir genau diese Frage. Der Kondenswasser tropft von der Decke, so heiß ist es in diesem Raum. Es passen hier vielleicht 200 Leute rein, es sind bestimmt aber mehr. Die Band die heute hier spielt, heißt The Faint und kommt aus Omaha / Nebraska, jenen Bevölkerungsarmen Staat Amerikas, den Bruce Springsteen schon mit seiner Akustikgitarre besang.

Aber The Faint klingen nicht nach ihrer Herkunft, nach dem amerikanischen Traum, der doch so schön in das ideale Bild passt. Ich sehe eine Band, die liebt was sie tut und das sehr reflektiert. Durchdachte Videoprojektionen erzeugen ein sehr stimmiges Bild auf der Bühne. Alle Sinne werden angesprochen, wie mir auch der Gitarrist Dapose im Interview bestätigt. „Es könnte ja auch genügen, Bands auf der Bühne live zu sehen, aber für uns war es einfach wichtig einen Schritt weiterzugehen und uns über Sachen wie Visuals nachzudenken und wie man noch andere Sinne, außer die Ohren ansprechen kann.“

Da scheint eine Verbindung von Kunst und Musik doch zu funktionieren: „ Ich denke, dass beides sehr eng miteinander verbunden ist. Es ist ja auch beides für deine Sinne geschaffen. Das tolle am Musikmachen ist ja auch, dass es dich auf verschiedene Gedanken und Gefühle bringen kann und man in eine andere Welt tauchen kann. So funktioniert ja auch visuelle Kunst – das ist so nah beieinander.“

Doch passt denn so ein Konzept von Musik in den amerikanischen Alltag? Ich frage Dapose, wie man sich gerade in der heutigen Zeit denn so als Amerikaner fühle? Das ist ziemlich schwierig…..ich denke, dass die amerikanische Lebensweise für viele Leute sehr verwirrend ist, da die Leute nicht gerade viel nachdenken und immer genau das machen, was ihre Freunde tun. Das trifft natürlich nicht auf alle Amerikaner zu und deswegen ist es schwierig zu sagen, was amerikanische Kultur ausmacht.Es gibt auch viele Dinge, die ich an Amerika mag, auch wenn ich mit unserem jetzigen Präsidenten und der Regierung sehr frustriert bin…..(überlegt)…eigentlich bin ich nicht frustiert, sondern ziemlich sauer sogar. Aber es gibt auch viele gute Dinge in diesem Land, ich weiß nicht wie ich das erklären soll….“

Paradoxe Realitäten, die sich anscheinend in der Musik von The Faint widerspiegelt. Als Emo / Indieband Ende der 90er gegründet, gab es nach dem ersten Album einen radikalen Schnitt in der Musik. Die elektronischen Bestandteile wurden gewichtiger und der Wave-Einfluss war unüberhörbar, obwohl Dapose behauptet, dass die Musik die sie hören keinen Einfluss auf die Songs, die sie schreiben hat und er persönlich gerne Death Metal hört. Doch wie kam dieser Wechsel zustande ? „Es war eigentlich ganz natürlich für uns. Wir alle neigen dazu uns Dingen zuzuwenden, die uns interessieren und das sind meistens neue Dinge – neu für uns. Wir wollten unsere Live-Shows weiterentwickeln und die Musik tanzbarer machen. Todd begann bereits für das erste Album mit Keyboards und elektronischen Geräten herumzuexperimentieren. Das war auch der Witz an der Sache – da hatte man diese ganzen Geräte und wir wussten erst gar nicht, was man damit so alles machen kann, also probierten wir rum und diese Einstellung haben wir uns bis heute bewahrt – wir kümmern uns nicht darum, was andere Leute sagen, sondern probieren erstmal alles aus und sehen dann, was passiert. Wir haben eine Idee im Kopf und benutzen was auch immer, um sie umzusetzen – Gitarren, Keyboards, Drums oder Drumcomputer oder sonst irgendwas.“


(Dapose im Interview)


Die Tanzhalle St. Pauli ist ein kleiner Club – zu klein für diese Band aus Omaha, denn es wären bestimmt nochmal so viele Leute gekommen – zu Recht, denn The Faint sind eine wirklich gute Live Band, so dass mich sogar die schwachen Songs ihres neuen Albums „Wet From Birth“ überzeugen konnten. Da wäre die Coverversion von den Talking Heads nicht nötig gewesen – ich habe mich trotzdem darüber gefreut……

(Erschienen in der Rocknews, 2004)

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