Jazz-Rap – Eine geschichtliche und exemplarische Betrachtungsweise
1 Einleitung
Die vorliegende Arbeit untersucht das Phänomen Jazz-Rap, welches Ende der 1980er Jahre begann. Dabei wird auf die geschichtlichen, ästhetischen und gesellschaftlichen Ereignisse eingegangen, die zur Entwicklung dieses Musikstils führten. Anhand der Betrachtung von zwei Musikbeispielen soll sich dem Leser die Herangehensweise an das klangliche Material erschließen und auch die Unterschiede deutlich machen, wie ein Jazzmusiker sich dem Phänomen nähert und wie ein HipHopper.
Ob das Genre Rap-Jazz überhaupt als Musikstil bezeichnet werden kann, wird diese Arbeit nicht beantworten können. Vielmehr aber sollen Gemeinsamkeiten und Unterschiede gefunden werden zwischen den beiden großen Genres der schwarzen Musik. Eine Gemeinsamkeit nun gleich vorab: Beide Stile – Jazz und HipHop – finden ihren Ursprung in der Urbanität. Der Großstadtdschungel als moderne Inspirationsquelle für neue musikalische Konzepte. Die Metapher des Inner City Jungle ist ein Hinweis auf die native Ausrichtung der schwarzen Musik und zieht sich über Generationen hinweg durch die Songtitel und -texte der Künstler vom Jazz zum HipHop. Eine Zuwendung zum Mutterland Afrika findet sich schon in den 20er Jahren in New York mit dem Cotton Club und dem African Craze. Die schwarze politische Ausrichtung des Black Arts Movement und der Black Nationalists beeinflusste nicht nur den Jazz, sondern kann auch im HipHop wiedergefunden werden. Auch musikalische Gemeinsamkeiten wie Improvisation, Polyrhythmus oder Phrasierung sind zu erkennen.
Trotzdem lassen sich mindestens genau so viele Unterschiede finden, die eine Diskussion des Jazz-Rap als Genre vielfältig gestalten. Genauso aber lässt sich auch keine wirklich einheitliche Begriffsdefinition für Jazz finden. Dies soll und kann diese Arbeit auch nicht leisten. Sie soll vielmehr Einblick bieten in eine Fusion zweier Musikrichtungen, die gemeinhin als schwarze Musik bezeichnet werden.
2 Die Geschichte des Jazz-Raps
Einen Anfangspunkt für den Jazz-Rap als Genre zu definieren gestaltet sich äußerst schwierig. Shapiro et al. schlagen vor, die Scatphrasen eines Louis Armstrong in z.B. Heebie Jeebies als erste Rapversuche im Jazz gelten zu lassen. Als Armstrong sein Textblatt während der Aufnahme aus Versehen fallen ließ, improvisierte er mit willkürlichen Vokalen und Konsonanten einen Text und benutzte die Stimme als eine Art Soloinstrument. Auch die poetischen Auswüchse der schwarzen Bürgerrechtsbewegung Ende der 1960er gelten als großer Einfluss für den Jazz-Rap. Künstler und Bands wie The Last Poets, Gil Scott-Heron und The Watts Prophets sprachen rhythmische Gedichte auf Jazz- oder auch Funkmusik (vgl. http://en.wikipedia.org/wiki/Jazz_rap).
Wenn man aber Rap als Genre definiert, welches Mitte der 1970er Jahre entstand, so waren doch erste Versuche HipHop und Jazz zu verbinden in der Native Tongue Bewegung zu finden. Wie schon zuvor im Jazz, gab es Ende der 1980er Jahre eine Tendenz im Hip Hop, sich den afrikanischen Wurzeln zuzuwenden. Die so genannte Native Tongue- Bewegung wollte sich von der materiell orientierten Richtung des Raps zu dieser Zeit befreien:
„Nach Jahren der dicken Goldketten, teuren Kleider und einer „Make money, money!“-Botschaft, kommt diese Form der Innovation bescheiden und bodenständig daher. […] Die Goldketten werden gegen Afrikaamulette, afrikanische Perlen, Haarbänder und Stoffe getauscht. Die Texte drehen sich nicht mehr ausschließlich um das Genie und die Manneskraft des Protagonisten. Es kommt zu einem großen Revival des Afrozentrismus.“ (Kage 2004:91)
Eine Metapher, die im Bezug des Afrozentrismus immer wieder auftaucht, ist die des „Inner City Jungle“ (Robbins 1997:387), welche in den Texten der New Yorker Rapformation Grandmaster Flash Anfang der 80er Jahre zu finden war. Diese rappten in ihrer Single „The Message“ 1982: „It´s like a jungle sometimes, sometimes I wonder how I keep from going under“. Die Großstadt wurde als urbaner Dschungel betrachtet, voller Gefahren und Unvorhersehbarem (Hebdige 2004:228).
Die Native Tongue-Gruppe Jungle Brothers griff diesen Begriff 1988 in dem Titel ihres Debutalbums Straight out the Jungle auf. Der Titeltrack des Albums beginnt mit den Worten „Educated man from the Motherland“, wobei mit „Motherland“ Afrika gemeint ist. Musikalisch versuchte sich die Formation durch eine Rückbesinnung auf schwarze Musik von der gegenwärtigen Ästhetik der Rap-Musik abzugrenzen und benutzte für ihre Songs eher Samples von Soul und Funkbands der 70er Jahre. Der Einsatz von polyrhythmischen Beats war zunächst eine musikalische Neuerung in der Rap-Musik (Robbins 1997:387). Dieses Stilmittel griff auch die New Yorker Rapgruppe De La Soul auf. Ihr 1989 erschienenes Debutalbum „3 Feet High and Rising“ wollte ein neues Zeitalter der Rapmusik einläuten: Das Daisy Age. De La Soul Mitglied Posdnous über den Begriff (Toop 1992:217):
„Wir bringen das Zeitalter des Gänseblümchens, das Daisy Age […] Daisy liest man so: Da steht für The, I steht für Inner, S steht für Sound und Y ist Y´all: The inner Sound y´all. Euer aller innerer Klang. Alles kommt aus unserem Inneren. Es ist endlich an der Zeit, die Fassaden einzureißen und aufzuhören, jemand anders sein zu wollen“.
Die Musik De La Souls ist beeinflusst von Sixties-Soul, Gospel, Reggae, Easy Listening, Doo Wop und eben Jazz.
Durch die technologische Weiterentwicklung der Sample-Geräte war es Ende der 1980er Jahre nun möglich immer längere Klangbeispiele in das Gerät zu speisen und Audioloops zu erzeugen. Die Produzenten durchstöberten alle möglichen Schallplatten, um passende Breaks zu finden, die das Thema eines potenziellen Songs bestimmen könnten. Gang Starr benutzten in ihrer Single Words I Manifest 1988 ein Sample von Charlie Parkers Night in Tunisia. Der Jazzsaxophonist Branford Marsalis wurde auf die Gruppe aufmerksam, als er Ende der 80er Jahre an Songs für einen Soundtrack von Spike Lees Film Mo Better Blues arbeitete. Gang Starr steuerten den Song Jazz Thing zu dem Soundtrack bei. Der Song handelt von der Geschichte des Jazz und zollt Jazzgrößen wie Louis Armstrong, King Oliver, Charlie Parker und Dizzie Gillespie Tribut. Conyers bezeichnet Jazz Thing als „einen der ersten Versuche, Rap und Jazz zu verbinden, welches ein Entwicklungsschritt für beide Genres zu Folge hatte“ (Conyers 2001:173). Branford Marsalis arbeitete später mit Gang Starrs DJ Premier zusammen, der die Songs für sein Jazz-Rap Projekt Buckshot LeFonque produzierte, bei dem der Saxophonist sogar selber rappte.
In New York machten sich zeitgleich neue Gruppen der Native Tongue Bewegung auf, den Jazz-Rap weiterzuentwickeln. Die Rapformation A Tribe Called Quest durchstöberte Platten von schwarzen Künstlern auf der Suche nach Samples für ihre Musik. Auf ihrem Debutalbum People´s Instinctive Travels and the Paths of Rhythms 1990 war die Auswahl der Samples eher noch eklektisch, doch verwendete die Gruppe auch schon Material von Cannonball Adderly oder Lonnie Smith. Die Texte wirkten noch sehr adoleszent und unernst (http://de.wikipedia.org/wiki/People%27s_Instinctive_Travels_and_the_Paths_of_Rhythm). Ein Jahr später veröffentlichte A Tribe Called Quest das Album Low End Theory, welches nach neuen Möglichkeiten der Verbindung von HipHop und Jazz suchte. Dieses doch recht reduzierte Album der New Yorker Rapper (http://www.bbc.co.uk/music/reviews/w9rg) benutzte neben Samples von Jazzgrößen wie Miles Davis, Lucky Thompson und Art Blakey auch einen echten Kontrabass, gespielt von Ron Carter. Aber nicht nur musikalisch suchte die Gruppe neue Wege. Die Texte wirkten ernster und sozialkritischer und sprachen Themen wie Ausbeutung der schwarzen Kultur, Gewalt und Geschlechterverhältnisse an. Der erste Song des Albums, Excursions, beginnt mit einem Basslauf aus A Chant for Bu von Art Blakey & The Messengers. Dazu rappt Q-Tip von A Tribe Called Quest:
„Back in the days when I was a teenager
Before I had status and before I had a pager
You could find the Abstract listening to hip hop
My pops used to say, it reminded him of be-bop
I said, well daddy don’t you know that things go in cycles
The way that Bobby Brown is just ampin like Michael
Its all expected, things are for the lookin
If you got the money, Quest is for the bookin
Come on everybody, let’s get with the fly modes
Still got room on the truck, load the back boom
Listen to the rhyme, to get a mental picture
of this black man, through black woman victim
[…]
All the way to Africa a.k.a. The Motherland (uh)
Stick out the left, then I’ll ask for the other hand
That’s the right hand, Black Man (man)
Only if you was noted as my man (man)
If I get the credit, then I’ll think I deserve it
If you fake moves, don’t fix your mouth to word it
Get in the zone of positivity, not negativity
Cuz we gotta strive for longevity“
Hier sieht man deutlich, wie sich Q-Tip auf die schwarze Kultur, insbesondere den Jazz, bezieht. Gar bezeichnet er den HipHop als neue Form des Bebops. Dies behauptet die Gruppe weiterhin bei dem Song Jazz mit der Gesanglinie „We´ve got the jazz!“ Viele Jazzmusiker sehen in der Verbindung von Jazz und HipHop eine „Trivialisierung des Jazz, dieser großen amerikanischen Kunstform“ (Blount, 1998). Der Jazz Trompeter Olu Dara sieht das ganz anders. Er bezeichnet diese Vorwürfe als Unfug und vergleicht die Diskussion mit der des Bebops und der ersten Jazz Bands um 1900 (Blount, 1998).
Auch von Seiten der Jazz Musiker wuchs der Wunsch mit HipHop zu experimentieren. Miles Davis arbeitete mit dem Produzenten Easy Mo Bee für das 1992 erschienene Album Doo-Bop. Während der Aufnahmen für das Album verstarb Davis an einem Schlaganfall. Doo-Bop wurde hart kritisiert. Den HipHop Hörern war das Album zu poppig und in der Jazz-Kritik wurde es als „bubblegum teenage music“ bezeichnet (Cole 2007:335). Dem konventionellen Jazz-Hörer war HipHop sowieso ein Dorn im Auge. Nichtsdestotrotz gewann das Album 1992 einen Grammy.
Der amerikanische Rapper Guru von Gang Starr arbeitete indes für sein Album Jazzmatazz, Vol 1 (erschienen 1993) mit Jazzgrößen wie Donald Byrd, Branford Marsalis, Roy Ayers und Courtney Pine zusammen. Jazzmatazz basiert auf Schlagzeugsamples, Live-Improvisationen von Jazz Musikern, Gesang und Rap und unternimmt den Versuch eine ausgewogene Mischung aus Rap und Jazz zu verwirklichen.
Im gleichen Jahr veröffentlichte die Gruppe Digable Planets aus New York das Album Reachin´ (A New Refutation of Time and Space). Im Gegensatz zu Gurus Ansatz der Fusion von Jazz und Rap, war das Album von Digable Planets rein samplebasiert. Der entspannte Klang der Platte erweckt Erinnerungen an „die schwarze Boheme und den Cool Jazz“ (Harrington, 2005). Für ihr Album erhielt die Gruppe 1993 einen Grammy.
Der Jazz-Rap breitete sich nun schlagartig aus. Rap Gruppen und Künstler wie Arrested Development, The Roots, Common, MC Solaar und Mos Def ließen sich von der Fusion inspirieren und diese neue, reflektierte und alternative Form des Raps wurde fortgesetzt.
3 Der Versuch einer näheren Betrachtung zweier Kompositionen
Das folgende Kapitel möchte den Versuch starten, zwei verschiedene Kompositionen des Jazz-Raps näher zu betrachten. Die Lieder und dazugehörigen Samples können auf der beiliegenden CD als Klangbeispiele gehört werden. Die beiden Beispiele dienen der Darstellung des Jazz-Raps aus zwei unterschiedlichen Perspektiven. Während Miles Davis sich dem Thema aus Sicht eines Jazzmusikers widmet, kommen Digable Planets aus dem HipHop. So hat die Musik für beide Sichtweisen auch eine unterschiedliche Funktion und Ästhetik. Während sich Miles Davis neu auf dem Gebiet des Samplings bewegt und andere Ansprüche an einen Beat hat, achten Digable Planets ziemlich genau auf die Auswahl der Samples. Für sie ist das Sample fast schon ein politisches Statement. Guckt man sich die Sampleliste ihres Albums an, so findet man ausschließlich schwarze Musik der 60er und 70er Jahre, während Miles Davis auch Songs von weißen Musikern und sogar aktuelle HipHop Musik sampled.
3.1 Miles Davis – The Doo-Bop Song
Dieser Song stammt von dem 1992 auf Warner Bros. erschienenen Album Doo Bop. Auf der Suche nach neuen Einflüssen, ließ sich Miles Davis von seinem Freund Russel Simmons von Def Jam Records einige aktuelle HipHop-Produktionen vorspielen. Als Simmons feststellte, dass jedes Stück, was Miles Davis gefiel, von dem jungen Rapper Easy Mo Bee produziert worden war, brachte man die beiden zusammen (Cole 2007:308ff). Anfangs wusste Mo Bee gar nicht so richtig, wer Miles Davis war, aber nach ein paar Sessions in Davis Wohnung, kamen sich die beiden musikalisch näher. Miles war anscheinend ein Fan von Mo Bees Produktionen und bat den jungen Rapper seinen Stil mit auf die neue Platte zu bringen (Cole 2007:313). Das Verhältnis zwischen Miles Davis und Easy Mo Bee beschreibt Cole als sehr gut.
Der Produktionsprozess lief nach festen Mustern ab: Zuerst baute Mo Bee mit einem Akai S900 Sampler ein Beatgerüst, auf dem Miles Davis dann improvisierte. Danach spielte Keyboarder Deron Johnson zusätzliche Harmonien ein und am Ende wurden die Gesänge aufgenommen (Cole 2007:315). Davis blieb mit seinen Einspielungen sparsam, improvisiert und rhythmisch, fast als rappte er mit der Trompete (Cole 2007:315).
Das zweite Lied des Albums, The Doo-Bop Song, war allerdings schon vor den Aufnahmen mit Miles Davis fertig. Easy Mo Bee hatte das Stück schon mit seiner Gruppe arrangiert. Miles Davis wollte es aber trotzdem auf dem Album, also wurde es ein wenig umarrangiert und Davis spielte dazu.
Die Basis des Stücks ist ein zweitaktiges Rhodes-Sample aus Summer Madness von Kool and the Gang von dem Album Light of Words (De-Lite Records, 1974). Die Grundtöne des Samples werden von Klavierakkorden des Pianisten Deron Johnson und einem tiefen Synthesizer-Bass aufgefüllt. Diese haben auch Loopcharakter und wiederholen sich zweitaktig. Rhythmisch getragen wird das Stück von einem Drumloop aus einer EMU SP1200 Drummachine. Der Drumloop besitzt achttaktigen Charakter.
Zum drittten Takt setzt Miles Davis Trompetenimprovisation ein. Der Klang der Trompete ist gedämpft und sein Spiel „sehr ökonomisch – nicht eine Note wird verschwendet und er lässt viel Platz zwischen jeder Phrase“ (Cole 2007:324).
Ab Takt 25 (01:05 Min.) setzt der Gesangs J.R.s mit der Phrase „just taking that doo-bop sound“ ein. Der Refrain ist acht Takte lang und von Streichern unterlegt. Danach erklingt ein achtaktiger Instrumentalteil mit Miles Davis Trompete im Vordergrund, gefolgt von einem 12-taktigen Rap von J.R., welcher inhaltlich Miles Davis thematisiert und ihn als Multitalent und Ausnahmemusiker bezeichnet (Cole 2007:325).
Es folgt eine viertaktige Reduktion des Beats und es erklingen zwei geschnittene und als „One-Shot“ benutzte Samples in Folge. Das eine ist ein Orchestral-Hit aus dem Stück Jungle Boogie von Kool and the Gang (Album: Wild and Peaceful, De-Lite Records, 1973) und das andere ein Sprachsample aus La-Di-Da-Di von Doug E. Fresh and the Get Fresh Crew (Single, Reality Records, 1985). Der nächste gesungene Refrain weitet sich auf 12 Takte aus und variiert in den letzten vier Takten textlich mit der Phrase „with Miles Davis“. A.B. Money übernimmt danach einen achttaktigen Rap und als letztes rappt Easy Mo Bee selbst. In Takt 80-82 rappt er über die Andy Griffith Show, einer 1960er Jahre Sitcom. In den folgenden zwei Takten pfeift er die Titelmelodie, was später als Sample urheberrechtlich geklärt werden musste, obwohl es kein Sample war (Cole 2007:325). Das Stück faded nach einem 12-taktigen Refrain schließlich aus.
In der HipHop Szene fiel die Qualität der Raps in Ungnade und wurdenals banal und unkritisch bezeichnet. Cole argumentiert, dass die Kritiker übersahen, dass es im Rap völlig unterschiedliche Stile gab, die von kontrovers bis unterhaltend sein konnten (Cole 2007:325).
3.2 Digable Planets – Rebirth of the Slick (Cool Like Dat)
Im Gegensatz zu Miles Davis, der die Zusammenarbeit mit HipHop Künstlern suchte, um musikalisches Neuland zu betreten, näherten sich die HipHop-Künstler Anfang der 1990er dem Thema Jazz auch ganz klar zur Abgrenzung. Die Klänge von Kontrabässen, gedämpften Trompeten und komplexen Jazz-Rhythmen heben sich von den übersteuerten Synthesizer- und Pistolenklängen des Gangsta-Raps klar ab (Williams, 2009). Digable Planets wählten für ihr Debütalbum Reachin´- A New Refutation of Time and Space (Pendulum Records, 1993) eine Klangästhetik, die eine neue Gruppe afro-amerikanischer HipHopper ansprechen sollte: Intellektuell, poetisch, kritisch und afrozentriert. Textlich orientierten sich Digable Planets am „Marxismus, Existenzialismus und Themen wie den 1970er Blaxploitation Filmen und Jazz“ (Williams, 2009).
Das Thema des Songs Rebirth of the Slick (Cool like dat) basiert dementsprechend auf einem Sample des Hard Bops. Basslinie und Bläserthema sind Art Blakeys Stretchin´ entliehen. Die Bongoklänge kommen von den Politaktivisten The Last Poets aus dem Stück On the Subway (The Last Poets, 1970). Im Gegensatz zu der Arbeitsweise von Easy Mo Bee auf Doo-Bop benutzen Digable Planets auch Drumsamples. Für dieses Stück wurde ein viertaktiges Schlagzeugsample der Soulband 24 Carat Black aus dem Stück Foodstamps von 1973 (Stax Records). Lediglich eine Synthesizerlinie und ein Schnipsen auf die gerade Zählzeit wurden von der Formation zu dem Instrumentalstück beigetragen.
Der Aufbau des 108-taktigen Stückes ist relativ einfach. Nach einem 16-taktigen Intro beginnt Butterfly mit seinem Rap. Er rappt über ihren Einfluss von Jazz „The puba of the styles like miles and shit“ und den daraus resultierenden Szeneausschluss: „Just sendin chunky rhythms right down ya block, We be to rap what key be to lock, But I’m cool like dat“. An der Sprache ist auch klar eine Orientierung an afrikanische Dialekte zu hören. „Th“ wird zu „D“, also That zu Dat. Auch das „We be to“ ist eine kreolische Möglichkeit der Satzstellung. Als Refrain dient die Wiederholung der Phrase „Cool like dat“ für vier Takte. Es folgt der Rapteil von Ladybug und nach einem achttaktigen Break rappt das dritte Mitglied Doodlebug. Der Endteil besteht aus einem wechselseitigen Wiederholen des Refrains, welcher mit einen Fade Out endet.
4 Fazit
Jazz-Rap als Stil zu definieren gestaltet sich sehr schwierig, da dieser Begriff nicht von den Musikern des Genres geprägt wurde, sondern von der Plattenindustrie und dem Musikjournalismus. Man kann aber schon sagen, dass es eine Zeit gab, in der sich Jazzmusik und HipHop stark beeinflusst haben. So suchten Jazzmusiker wie Miles Davis, Branford Marsalis und Herbie Hancock nach neuen Wegen der Ausdrucksmöglichkeiten. HipHop Künstler wie A Tribe Called Quest, Gang Starr oder Digable Planets wiederum fanden in den alten Platten der Jazzmusik Samplematerial, welches eine neue Ästhetik des HipHops definierte. Auch der klare Bezug auf die afrikanischen Wurzeln sollte neue politische, poetische und ästhetische Aspekte in den HipHop bringen. Inwieweit dies geglückt ist, kann diese Arbeit nicht beantworten. Aber diese Versuche hatten insofern einen Einfluss, als dass es immer noch Künstler gibt, die Elemente aus Jazz und HipHop verbinden.
Der Diskurs, ob HipHop nun der neue Jazz sei, ging interessanterweise fast ausschließlich von Jazzseite aus. Provokante Aussagen von HipHop Künstlern, wie A Tribe Called Quest, die behaupteten, dass HipHop der neue Bebop sei, traf anscheinend einen wunden Punkt im Jazz und löste eine flächendeckende Diskussion in der Jazzszene aus. Die HipHop Künstler auf der anderen Seite hatten anscheinend nie diesen Anspruch und brauchten das Label Jazz-Rap nicht. Für sie war ihre Musik HipHop mit Jazzeinflüssen. Inwieweit also eine Genrebezeichnung in dieser pluralistischen Welt von heute aktuell und wichtig sei, bleibt dem Leser überlassen.
5 Literaturverzeichnis
Blount, Ericka (1998). Where Jazz Meets Hip-Hop. In: JazzTimes, April 1998
Conyers, James (2001). African American Jazz and Rap: Social and Philosophical Examinations of Black Expressive Behaviour. Jefferson: McFarland
Cole, George (2007). The Last Miles: The Music of Miles Davis, 1980-1991. Michigan: University of Michigan Press
Cooke, Mervyn & Horn, David (2002). The Cambridge Companion to Jazz. Cambridge: Cambridge University Press
Hebdige, Dick (2004). Rap and Hip-Hop: The New York Connection. In: Forman, Murray & Neal, Mark Anthony: That´s the Joint!. New York: Routledge
Kage, Jan (2004). American Rap: US-HipHop und Identität. Mainz: Ventil
Robbins, Ira (1997). The Trouser Press Guide to 90s Rock. New York: Fireside
Toop, David (1992). Rap Attack. St. Andrä-Wördern: Hannibal
Internet
Harrington, Richard (2005). For Digable Planets, a New World Order. URL <http://www.washingtonpost.com/wp-dyn/content/article/2005/06/30/AR2005063000596.html> [Zugriff am 26.11.2009]
Jones, Chris (2007). Jazz hip hop comes of age on this near-perfect album. URL <http://www.bbc.co.uk/music/reviews/w9rg> [Zugriff am 26.11.2009]
Williams, Justin (2009). Beats and Flows: A Response to Kyle Adams, Aspects of the Music/Text Relationship in Rap. In: Music Theory Online, Volume 15, Number 2.
URL<http://mto.societymusictheory.org/issues/mto.09.15.2/mto.09.15.2.williams.html> [Zugriff am 27.11.2009]